Das älteste soziokulturelle Zentrum Kassels

Das Kulturzentrum Schlachthof entstand mit den neuen sozialen Bewegungen, als sich bundesweit selbstverwaltete Kommunikationszentren und Kulturläden mit dem Ziel der Demokratisierung von Kultur in leerstehenden historischen Gebäuden gründeten. Mitte der 70er Jahre macht in Kassel eine Gruppe von Jugendlichen, spanischen und italienischen Migrant*innen, Studierenden sowie Menschen aus Sozialpädagogik, Architektur und Kunst mit Theaterstücken und Straßenaktionen auf sich und ihre Forderung nach einem Kultur- und Stadtteilzentrum aufmerksam.

Zentrale Idee war, einen erweiterten ganzheitlichen Begriff von Kultur umzusetzen, Räume für Selbstwirksamkeitserfahrungen und Teilhabe zu schaffen und kulturelle Vielfalt zu fördern. Angesichts des Engagements, der Kontinuität und der Verbindlichkeit der Akteur*innen wich die anfängliche Skepsis auf Seiten der Kommunalpolitik. Die Initiative erhielt die zum Abbruch bestimmten Verwaltungsgebäude des ehemaligen Kasseler Schlachthofes.

1978: Eröffnung des Kulturzentrum Schlachthof

Im April 1978 werden die seit einem halben Jahr leerstehenden Torgebäude des ehemaligen Schlachtbetriebs als „Kulturzentrum Schlachthof“ eröffnet: Die vorhandene Kneipe wird wiederbelebt, ein Veranstaltungssaal für Musik- und Theateraufführungen hergerichtet und Freizeitangebote für Jugendliche geschaffen. Von Beginn an richten sich Gruppen von Menschen mit Migrationsgeschichte eigene Räume ein und gründen Selbstorganisationen. Sie sind Treffpunkt und Basis für politische und kulturelle Aktionen. Deutschkurse und Informationsabende mit dem DGB legen den Grundstein für ein eigenes Bildungsprogramm.

In den folgenden zwei Jahren wird der Erhalt der Gebäude durchgesetzt und ein kommunales Jugendzentrum installiert. Sanierung und Umbau aus Städtebauförderprogrammen folgen. Seit 1981 können aufgrund städtischer Förderung hauptamtliche Mitarbeitende beschäftigt werden. Aus den selbstorganisierten Aktivitäten hat sich eine professionelle Programmstruktur entwickelt, die zur kulturellen Vielfalt und Belebung sowie zur individuellen und gesellschaftlichen Beteiligung beiträgt - generationsübergreifend und unabhängig von nationaler, sozialer oder kultureller Herkunft.

Das Spektrum der jährlich mehr als 200 Kulturveranstaltungen reicht vom internationalen Jazz-Highlight, über Weltmusik bis zur regionalen Kleinkunst und lokalen Bands. Monatliche Sessions und offene Bühnen dienen der Nachwuchsförderung. Überregional bekannt sind bis heute das Internationale Frühlingsfest und das Kasseler Weltmusikfestival.

1990: Beratungsangebote für gesellschaftliche Teilhabe

Seit 1990 wird durch Sprachförderung sowie durch berufliche Orientierung und Qualifizierung die Integration in Ausbildung und Arbeitsmarkt gefördert. Die Beratungsangebote reichen von Schulden- und Insolvenzberatung über interkulturelle Vermittlung bis zur betriebswirtschaftlichen Beratung von Gewerbetreibenden. Seit 2005 ist der Schlachthof anerkannter Sprachkursträger des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (BAMF).

1998: Ausweitung der Kinder- und Jugendarbeit

In der offenen Jugendarbeit und kulturellen Bildung werden für Kinder und Jugendliche Freizeitprogramme, medien- und musikpädagogische Projekte und sozialräumlich angelegte Kooperationsprojekte mit Kindertagesstätten, Schulen, Jugendberufshilfeträgern und Künstler*innen durchgeführt. Die Kinder- und Jugendarbeit wird 2013 um ein weiteres Angebot ergänzt: Der Aktivspielplatz Quellhofstaße bietet insbesondere jungen Menschen zwischen sechs und 14 Jahren einen Erlebnisraum mit offenen Angeboten inmitten der dichten Bebauung der hinteren Nordstadt.

Im Jahr 2006 wird das Kulturzentrum zum Partner der documenta 12 und ist Ausgangspunkt und Aktionsraum für den documenta 12 – Beirat.

2013: Wege in Arbeit

Um Menschen bei der Suche nach einem Arbeitsplatz zu unterstützen, bietet das Kulturzentrum seit 2013 mit dem Jobforum Kassel Unterstützung bei Bewerbungen und Beratung für individuelle Problemlagen. Arbeit zu haben bedeutet Eigenständigkeit zu gewinnen, neue Kontakte und Freundschaften zu knüpfen und am gesellschaftlichen Leben teilhaben zu können. Im Arbeitsfeld „Wege in Arbeit“ werden seit 1992 Projekte entworfen und durchgeführt, die Menschen in Arbeit bringen.

Heute: Ein Stück Heimat

Das Kulturzentrum ist von Anfang an ein Zentrum der Kulturen, Treffpunkt und Anlaufstelle für Menschen aus Italien, Spanien, Griechenland, Eritrea, der Türkei und vielen anderen Regionen. Selbstorganisierte Gruppen und (post)migrantische Vereine haben seit Jahren ihren festen Sitz oder nutzen die multifunktionalen Räumlichkeiten. Hier unterstützen sie ihre Communities in konsularischen Angelegenheiten, beraten bei sozialen Fragen, koordinieren und organisieren politische und kulturelle Aktivitäten wie Flamencogruppen oder die Feria de Abril des Club Juvenil. Sie sind wichtige Begegnungsorte und letztlich ein Stück Heimat.

Finanzielle Grundlage für die Arbeit des Kulturzentrums ist seit 1981 eine institutionelle Förderung durch die Stadt Kassel, die neben viel bürgerschaftlichem Engagement eine hauptamtliche Personalstruktur gewährleistet.

Auch heute noch verbindet das Kulturzentrum Schlachthof als soziokulturelle Herz der Kasseler Nordstadt Menschen aller Nationen und Kulturen. Rund 130 Mitarbeiter*innen machen vielfältige Bildungs- und Beratungsangebote für Kinder, Jugendliche und Erwachsene. Über 700 Menschen am Tag belegen Sprach- und Integrationskurse, besuchen Jobtrainings, suchen Hilfestellungen und Beratungen oder entwickeln gemeinsam Projekte.

Unsere offenen Angebote auf dem Aktivspielplatz, im Jugendzentrum, im Familienzentrumund dem Kultur- und Veranstaltungszentrum mit Biergarten sind beliebte Treffpunkte der Anwohnerschaft. Mit seinen soziokulturellen und partizipativen Angeboten steht der Schlachthof auch für die Belebung der nachbarschaftlichen Beziehungen in drei Stadtteilen, die hier vor Ort zusammentreffen.